Z-V-Diagramm und gezeichnete Studie der 603-Triebkopfes - Zum Vergrößern Bilder anklicken
Anm.: Der Grund, warum ich dieses Thema hier aufgegriffen habe ist, daß in einem älteren Magazin behauptet wurde, der VT 603 würde das gleiche Design wie der ET 403 erhalten, was definitiv falsch ist. Dennoch gibt es einige Berührungspunkte und die kurze Geschiche des Projektes finde ich auch so sehr interessant.
In der meiner Meinung nach spannensten Zeitepoche der deutschen Eisenbahn spiegelt sie die Suche
nach einem geeigneten Fahrzeugkonzept für die damalige Zukunft sehr gut wieder...
Schlussanmerkung:
Ich hoffe auch diese Beschreibung war wieder interessant. Die Recherche zum VT 603 erwies sich als etwas schwierig, da es nicht viel Literatur über dieses Projekt gibt.
Anfang des Jahres 2016 konnte ich umfangreiche Unterlagen des BZA-München zum VT 603 sichten und einen ausführlichen Bericht verfassen, der im 'Eisenbahn Kurier' 5/2016 nachzulesen ist. U.a. mit detailierten Infos zu den Projektstudien und weitere Abbildungen.
Der VT 603 als H0-Modell im Design des ET 403 - Zum Lesen anklicken
ABvmz 227 am 26.10.1977 in Mainz Hbf - Ein ganzer Zug in diesem Design
wäre sicher eine imposante Erscheinung gewesen. Zum Vergrößern Bild anklicken
Original 1:20 Modell des VT 603, hier im Bahnpark Augsburg - Zum Vergrößern Bilder anklicken
VT 603-Aufbau (c) Rheinstahl-Henschel / BBC
Der museal hergerichtete 602 003 im DB Museum Nürnberg.
Seit 2011 ist der Triebkopf in der Eisenbahnwelt Horb zu Hause.
Nach eingehender Erprobung der V 169 schwenkte man bei der DB 1968 um. Die steigenden Fahrgastzahlen machten mehr Zwischenwagen in den VT 11.5/601 Zügen nötig, gleichzeitig sahen die laufenden Planungen für das neue
IC-Netz eine Höchstgeschwindigkeit von
160 bzw. 200 km/h vor.
Dafür entstanden schließlich durch den Umbau von
VT 11.5/601-Motorwagen ab 1970 vier Triebköpfe der Baureihe 602, bei denen anstatt des Dieselmotors nun eine AVCO-Lycoming Gasturbine TF 35 für den Antrieb mit 2200 PS sorgte. Die TF 35 wurde aus der Hubschrauberturbine
T55-L-11 entwickelt und von KHD in Lizenz gebaut.
Trivia:
Gasturbinen werden in der Regel als Hubschrauber-Antriebe verwendet.
Anm.: Wie sich ein VT 603 mit insgesamt vier Turbinen angehört hätte, kann man sich denken -
die anzunehmende Lautstärke hätte wohl bei vielen Mitbürgern für einigen Ärger gesorgt...
Eine "fast" glaubhafte VT 603-Legende hat "bahngarfield" für seinen virtuellen Märklin-Katalog "Märkronomicum" entwickelt: Einen Hybridzug aus den Baureihen 403/404/603.
Angesichts der Tatsache, daß umgekehrt bereits 1958 ein elektrischer Viersystemkopf für den VT 11.5 angedacht wurde, hätte es Anfang der 70er Jahre ein derartiges Szenario durchaus so geben können.
Projektende:
Von Anfang an war geplant, das VT 603-Projekt zunächst nur bis zum Abschluß der Vorstudien zu entwickeln. Die Fortführung sollte in Abhängigkeit der Erfahrungen mit den Triebköpfen der BR 602 erfolgen.
Da gab es allerdings von Beginn an Probleme. Schon bei den ersten Probefahrten im März 1971 geriet ein Motorwagen in Brand. Auch der später beeindruckende Geschwindigkeitsrekord von 217 km/h im April 1975 konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Antriebsform keine wirtschaftliche Alternative gegenüber dem Dieselantrieb aufgrund der hohen Instandhaltungskosten darstellte. Dazu kam 1973 die Ölkrise und der Fakt, daß der 603 nur unter Vollast auf bereits elektrifizierten Hauptstrecken rentabel gefahren wäre.
So wurde das Projekt nicht weiter fortgeführt - Bei der DB konzentrierte man sich auf den ET 403, während Henschel/BBC bereits an der neuen Drehstromtechnik zu feilen begann. Dort entwarf man einen rein elektrischen 'VT 603', um die Traktionsunäbhängigkeit der Drehstrom-Leistungsübertragung zu demonstrieren. Aus heutiger Sicht kann dieser Entwurf als erstes Denkmodell zu den späteren ICE-Triebköpfen gelten - und das 1971 - vierzehn Jahre vor der Realisierung.
Mit dem 1971 vorgestellten Modell verschwand die Vorgabe, den Zug mit einer Gst-Komponente zu versehen. Die gezeichneten Pläne sahen noch - wie beim ET 403 - die für den Gst-Betrieb notwendigen abgeschrägten Seitenwände vor, während das Modell gerade Wände besitzt. Auch war nun die Rede von einer HG 200 km/h, und daß zwischen den beiden Triebköpfen bis zu 10 "normale" Reisezugwagen befördert werden sollten - also eine wesentliche Vereinfachung gegenüber dem ursprünglichen Konzept, das nun dem HST der britischen Eisenbahn ähnelte.
Für das äußere Erscheinungsbild des VT 603 konzipierte das Design-Center eine gesickte Edelstahlbeblechung für Seitenwände und Dachbereiche, sowie ein Fensterband in blutorange (RAL 2002).
Dieses Design wurde dann auch tatsächlich realisiert:
In Kooperation von LHB und DB entstanden 1972 die ersten zwei Prototypen der späteren 'Eurofima'-Reihe. (ABvmz 227, Bvmz 237). Auf Wunsch des Design-Centers wurde das für den VT 603 ersonnene Erscheinungsbild am 1./2. Klasse-Wagen ABvmz 227 exakt umgesetzt.
Design:
Wie der ET 403, sollte auch der VT 603 ein komplett eigenständiges Aussehen erhalten.
Das Design Center des BZA München entwickelte u.a. dafür verschiedene Holzmodelle des Triebkopfes.
Heraus kam eine Kombination von 103-ähnlichen Führerstandsfenstern, Lüfterlamellen a´la BR 202 und eine moderne Kopfform, die sich auch locker in Studien für Interregio-Steuerwagen von 2008 einreihen ließe.
Dipl.-Ing. Emil Schuh vom DB-Design-Center präsentierte 1971 anläßlich der Fachtagung "Ride 71" ein 1:20 Form-Modell des Triebkopfes plus einem Wagen.
Dieses Original-Modell ist restauriert aktuell in der Ausstellung "Bahn & Design" in Nürnberg zu bewundern:
Die Kraftübertragung sollte elektrisch erfolgen - Beim Henschel-Entwurf mit einem BBC-Drehstromgenerator. Eine hydraulische Übertragung hätte keine gleichmäßige Aufteilung der Antriebsleistung ermöglicht, und wäre auch im Betrieb erheblich kostenintensiver gewesen.
Nach einer internen Punktebewertung der DB erhielt der Rheinstahl-Henschel-Entwurf den Vorzug.
Die herausgearbeiteten Vorteile:
- leichtere, wartungsfreie Drehstrom/Drehstrom – Kraftübertragung
- Gewichtsvorteil von insgesamt ca. 4,4 Tonnen – Dadurch Mischbauweise aus Aluminium und Stahl möglich
- Eine Leistungssteigerung durch stärkere Turbinen ist ohne große Änderung bei der Gesamtkonzeption
und Mechanik-Teilkonstruktion möglich
Projekt VT 603:
Um den Verschleiß an Schienen und Oberbau bei hohen Geschwindigkeiten zu minimieren, verfolgte die DB ab 1968/69 den Plan, das Achsgewicht eines Zuges gleichmäßiger zu verteilen - Die Grundidee des ET 403. Gleichzeitig gab es aber auch sehr große Skepsis gegenüber einem Schnellfahr-ET, da man Probleme mit der Stromabnahme bei hohen Geschwindigkeiten befürchtete. Auch war noch nicht klar, mit welcher enormen Geschwindigkeit die weitere Elektrifizierung des Streckennetzes vorankommen würde.
Deswegen beschloss die DB, neben dem elektrischen Triebwagenzug einen Gasturbinenzug für hohe Geschwindigkeiten zu konzipieren.
Die Leistungsvorgaben waren ähnlich zum ET 403:
Höchstgeschwindigkeit bis 250 km/h (wie anfangs auch für den 403er vorgesehen), Wagenkastensteuerung Gst und eine maximale Achslast von 16 Tonnen - für nationale und internationale Einsätze.
Noch während der Planungen zum Umbau der vier 601-Triebköpfe auf Gasturbine liefen, beauftragte die DB 1970 die beiden Firmengruppen Krauss-Maffei/AEG/Siemens und Rheinstahl-Henschel/BBC mit der Entwicklung einer Projektstudie für den neuen Zug in Konkurrenz zueinander.
Das Konzept sah vorne und hinten je einen Triebkopf vor, zwischen denen Wagen mit Gst-Komponente laufen sollten.
In einem VT 603-Triebkopf sollten je zwei gleiche Turbinen des Typs TF 35 für den Antrieb sorgen.
Damit ergab sich eine Gesamtleistung von 6470 KW (8800 PS) pro Zug, wobei allerdings bis zu 1600 KW
für die Energieversorgung des Zuges abgezweigt werden sollte.
Umfeld:
Im Zuge der Entwicklung der Gasturbinen-Lok V 169 001 wurde 1963 von den Klöckner-Humbold-Deutz-Werken (KHD) der Vorschlag gemacht, die Turbine auch als Antrieb für die TEE-Züge VT 11.5 zu verwenden. Dabei war vorgesehen, eine General-Elektric-Turbine des Typs LM 100 in den Gepäckraum einzubauen und über ein mechanisches Getriebe und Gelenkwellen die Kraftübertragung auf das hintere Fahrgestell des Motorwagens zu realisieren (bei gleichzeitigem Bestehenbleiben der Dieselanlage).
Trotz der errechneten "Leistungs-Explosion" wurde die Idee von der Bundesbahn verworfen.
Vorwort:
Am Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts war man sich unklar darüber, wie und mit welchen Mitteln der Eisenbahnschnellverkehr der Zukunft betrieben werden sollte. So konkurrierten immer mehr elektrische Fahrzeuge mit den fahrdrahtunabhängigen Dieselloks und Triebwagen. Die Gasturbine schien eine interessante Alternative zu beiden Traktions-Konzepten, denn sie verband hohe Leistung ohne die Notwendigkeit eines Fahrdrahtes. Gerade in Frankreich setzte man große Hoffnungen in diese Antriebsart.
So wurde bei der Bundesbahn parallel zur Entwicklung des ET 403 auch die Konzeption für einen Gasturbinen-Zug mit der Bezeichnung "VT 603" gemacht.
Gasturbinenprojekt VT 603: